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ALS: Heimbeatmung verlangsamt Krankheitsprogression

ALS: Heimbeatmung verlangsamt Krankheitsprogression
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Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) führt als chronische neurodegenerative Erkrankung innerhalb weniger Jahre zu schwerer Behinderung und Tod. Eine nächtliche Atemunterstützung mittels nichtinvasiver mechanischer Ventilation (NIMV) kann die Symptome des Atemversagens lindern, die Lebensqualität verbessern und das Überleben verlängern. Eine Studie zeigte nun erstmals, dass die NIMV auch zu einer signifikanten Verlangsamung des motorischen bzw. funktionellen Krankheitsverlaufs führt (1). Die Optimierung der NIMV mit frühzeitigem Beginn stellt damit einen bedeutenden Fortschritt in der Versorgung Betroffener dar.
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ALS: chronische degenerative Erkrankung mit tödlichem Ausgang

Die Amyotrophe Lateralsklerose ist eine chronisch degenerative Erkrankung von motorischen Nervenzellen (Motoneuronerkrankung) bei Erwachsenen, meist nach dem 50. Lebensjahr (Inzidenz 1-3/100.000). Es kommt typischerweise zu Muskelschwund und Paresen von Armen und Beinen sowie Sprech- und Schluckstörungen. Durch die fortschreitende Beteiligung der Atemmuskulatur kommt es zu Atemversagen.

Bei ALS bisher nur Verzögerung des Krankheitsverlaufs und Verbesserung der Lebensqualität möglich

Eine kausale Therapie gibt es bisher nicht. Der Krankheitsverlauf kann mit einem neuroprotektiven Medikament, Riluzol, verzögert werden, eine Heilung ist bislang nicht möglich. Mit verschiedenen symptomatischen Therapien können heute Lebenszeit und -qualität positiv beeinflusst werden – dazu zählt auch die nichtinvasive Heimbeatmung NIMV. Die NIMV unterstützt die Lungenfunktion und verlangsamt deren Abnahme. Sie gilt laut den aktuellen Leitlinien als lebensverlängernd, symptomatisch wirksam und daher lebensqualitätsverbessernd (2). Ihr Effekt auf die motorische bzw. funktionelle Progression der Erkrankung wurde bisher in Fachkreisen kontrovers diskutiert.
 
 

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Studie untersucht positive Auswirkung der NIMV auf Krankheitsverlauf der ALS

Eine neue Studie untersuchte nun retrospektiv in einer großen Kohorte von 448 ALS-Patient:innen des ALS-Zentrums in Turin, Italien, ob die Atemunterstützung auch das Fortschreiten der Erkrankung positiv beeinflussen kann (1). Als Messgröße diente die Rate des funktionellen Rückgangs basierend auf den nicht-respiratorischen Elementen der ALSFRS-R Skala („Amyotrophic Lateral Sclerosis Functional Rating Scale-Revised“). Dabei werden 12 einzelne Aspekte erfasst, darunter Schluckfunktion, Armfunktion (Gebrauch von Alltagsgegenständen) und Beinmuskulatur (z.B. Treppensteigen). Normalwerte sind je Aspekt =4 Punkte (keine Funktion =0 Punkte), die Gesamtpunktzahl beträgt 48.

Nächtlicher Einsatz der NIMV verlangsamt Progression der ALS um 0,16 ALSFRS-R-Punkte pro Monat

Im Ergebnis konnte die Studie erstmals zeigen, dass der Beginn einer NIMV den Rückgang der nicht-respiratorischen ALSFRS-R-Werte signifikant verlangsamt (mittlere Verbesserung bzw. Verlangsamung des funktionellen Rückgangs um 0,16 Punkte pro Monat, p<0,001). Der günstige Einfluss der NIMV auf das Fortschreiten des ALSFRS-R war besonders deutlich für die nächtliche Atemunterstützung und er war unabhängig von der Krankheitsschwere, dem ALS-Stadium, vom Ort des Krankheitsbeginns (d.h. erstbetroffene Muskelgruppen), von Alter, Geschlecht und dem Vorliegen einer kognitiven Beeinträchtigung. Diese Ergebnisse wurden in einer anderen ALS-Kohorte, dem PRO-ACT-Datensatz, bestätigt.
 
 

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Frühe Einleitung der NIMV und Sicherung der Adhärenz als entscheidender Faktor bei ASL

Nach Ansicht des Autorenteams unterstreichen die Ergebnisse die Bedeutung der rechtzeitigen NIMV-Einleitung für alle ALS-Betroffenen, da ein früher Beginn der NIMV den gesamten Verlauf der ALS erheblich verbesserte. Dies bedeute, dass auch bei ALS-Erkrankten ohne offensichtliche pulmonale Symptome eine regelmäßige Lungendiagnostik erfolgen und bei entsprechenden Befunden eine NIMV begonnen werden sollte. Da bei fehlenden subjektiven Atemproblemen die Therapietreue zur NIMV jedoch nicht immer gegeben sei, sollte die Bedeutung der NIMV hinsichtlich der Verlangsamung des Krankheitsverlaufs mit den Betroffenen genau besprochen werden, um im Verlauf die NIMV-Adhärenz zu sichern. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Studienergebnis, dass künftige ALS-Therapiestudien mit Progredienz als Endpunkt eine NIMV unbedingt berücksichtigen müssten. Da die positive NIMV-Wirkung unmittelbar eintritt, wird die statistische Bewertung einer NIMV als „potenzieller Störfaktor“ (z.B. bei Testung neuer Medikamente) empfohlen.

Bei Verfestigung der Studienergebnisse muss NIMV bei ALS zeitlich vorverlegt werden

„Die Ergebnisse liefern wertvolle Informationen, um künftig den richtigen Zeitpunkt zur Einleitung der NIMV zu definieren“, so Prof. Dr. med. Tim Hagenacker, Essen, stellvertretender Sprecher der Kommission Motoneuron- und neuromuskuläre Erkrankungen der Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. „Sie könnten in absehbarer Zeit sogar eine Implikation für eine Leitlinien-Anpassung darstellen, denn bisher wird die NIMV erst als indiziert empfohlen, wenn relativ deutliche Symptome vorliegen wie z.B. typische Beschwerden der chronischen Hypoventilation, erhöhte Kohlendioxid-Blutwerte oder eine Verschlechterung bestimmter Lungenfunktionsparameter. Der Zeitpunkt müsste in Zukunft vorverlegt werden, wenn sich die Studienergebnisse weiter bestätigen.“

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.

Literatur:

(1) Grassano M, Koumantakis E, Manera U, Canosa A, Vasta R, Palumbo F, Fuda G, Salamone P, Marchese G, Casale F, Charrier L, Mora G, Moglia C, Calvo A, Chiò A. Giving Breath to Motor Neurons: Noninvasive Mechanical Ventilation Slows Disease Progression in Amyotrophic Lateral Sclerosis. Ann Neurol. 2024 Jan 29. doi: 10.1002/ana.26875. Epub ahead of print. PMID: 38284771.
(2) Ludolph A., Petri S., Grosskreutz J. et al., Motoneuronerkrankungen, S1-Leitlinie, 2021, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online abrufbar unter: www.dgn.org/leitlinien (zuletzt abgerufen am 05.02.2024)


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