Cannabis in der Medizin: Bedarf an Studien
Es ist ein schwieriger gesellschaftspolitischer Diskurs, der den Fortschritt einer Entwicklung von Arzneimitteln hemmt, die Inhaltsstoffe der Heilpflanze Cannabis sativa enthalten. Denn einerseits steht die Gefahr des Missbrauchs von Cannabis als Droge permanent im Raum, und andererseits herrscht aktuell ein Trend mit großer Nachfrage nach im Handel frei erhältlichen Produkten mit Cannabinoiden. Tibor Harkany, Neurobiologe und Leiter der Abteilung für Molekulare Neurowissenschaften am Zentrum für Hirnforschung der MedUni Wien, konstatiert ein widersprüchliches Phänomen: „Wir wissen, dass Cannabis bei vielen Krankheiten eingesetzt werden könnte und zum Teil kennen wir auch die Wirkweise. Aber durch diese vielen Produkte entsteht auch der Eindruck, es hilft bei allem und nichts. Cannabis ist aber keine Wunderpflanze, sondern sehr spezifisch einsetzbar und dazu brauchen wir dringend mehrere evidenzbasierte wissenschaftliche klinische Studien“.
Lesen Sie mehr zu diesem Thema:
Medizinisches Cannabis – patientenindividuelle Therapieoption
Erschienen am 24.06.2021 • Die Vorteile und Risiken eine Cannabistherapie gegenüber einer Opioid-Standardtherapie hat, erfahren Sie www.journalmed.de!
Erschienen am 24.06.2021 • Die Vorteile und Risiken eine Cannabistherapie gegenüber einer Opioid-Standardtherapie hat, erfahren Sie...
© fotofabrika - stock.adobe.com
Einsatz von CBD in der Schmerz- und Epilepsietherapie
Die klinischen Wirkungen von Cannabismedikamenten sind in der Mehrzahl auf eine Aktivierung von endogenen Cannabinoid-CB1- und CB2-Rezeptoren zurückzuführen. Die am höchsten konzentrierten Stoffe aus der Cannabis-Pflanze sind delta-9-tetrahydrydrocannabiol (THC) und Cannabidiol (CBD), wobei letzteres keine psychogenen Effekte bedingt. Der Substanz CBD wird aus anekdotaler Beobachtung schmerzlindernde, angstlösende, antiepileptische, antipsychotische, sedierende und neuroprotektive Wirkung zugeschrieben. Derzeit ist CBD in einigen Ländern für die Behandlung therapieresistenter Epilepsie und spastischer Lähmungen zugelassen. In Österreich sind die CBD-hältigen Medikamente Sativex zur Behandlung von Multipler Sklerose und Spasmen sowie Epidiolex zur Therapie von bestimmten genetische Epilepsieformen zugelassen. Außerdem wird Dronabinol als zusätzliche
Medikation gegeben bei chronischen Schmerzen und im Rahmen von Krebstherapien. Harkany betont den potenziellen Einsatz von Cannabinoiden sogar als primäre Therapieform bei Epilepsie, weil hier der Krankheitsverlauf schnell und günstig beeinflusst werden könnte.
„Cannabis muss in die wissenschaftliche Medizin geholt werden“
Psychiater Siegfried Kasper, emeritierter Leiter der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der MedUni Wien, der große Erfahrung mit derartigen klinischen Studien hat und mit Harkany im Sinne der translationalen Forschung an mehreren Projekten zusammenarbeitet, resümiert: „Es wäre von großer Wichtigkeit, dass sowohl Universitäten als auch Pharmafirmen grundlegende und translationale Studien zur besseren Erforschung der spezifischen Wirkungen von Cannabinoiden initiierten. Denn es gäbe eine große Zukunft, wenn man die Anwendungsformen von Cannabis standardisieren und dann mit diesem standardisierten Extrakt in speziellen klinischen Studiendesigns erforschen würde.“ Beide Wissenschafter sind sich einig in der Überzeugung, „dass Cannabis in die wissenschaftliche Medizin geholt werden muss“.