Donnerstag, 21. November 2024
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Medizin

Akne inversa: Unwissenheit führt zu schweren Verläufen

Akne inversa: Unwissenheit führt zu schweren Verläufen
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Durchschnittlich 12 Jahre dauert es, bis Betroffene mit der Krankheit Akne inversa diagnostiziert werden. Obwohl schätzungsweise 2-5% der Bevölkerung daran leiden, erkennen nur wenige Behandelnde die chronische Autoimmunkrankheit, die massiv entzündliche Hautveränderungen hervorruft. Auch in der Öffentlichkeit ist das unheilbare Krankheitsbild wenig bekannt oder wird irrtümlich in eine Kategorie mit Pickeln oder Abszessen eingeordnet. Darum erleben Betroffene wie Simone S. (28) häufig einen Leidensweg aus Scham, Schmerz und ständigen Operationen, bis sie die richtige Diagnose und entsprechende Therapie erhalten.
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Entgegen vieler Vorurteile sind auch schwere Verläufe gut behandelbar und ermöglichen Betroffenen ein weitestgehend beschwerdefreies Leben. Dr. med. Thorsten Matthes ist Chefarzt der Dermatochirurgie des Zentrums für Venen- und Dermatochirurgie am Krankenhaus Tabea in Hamburg-Blankenese und behandelt dort jährlich bis zu 500 Patienten und Patientinnen innerhalb des Erkrankungsspektrums von Akne inversa.

Die Akne inversa

Das Krankheitsbild Akne inversa, unter dem schon Karl Marx litt, verursacht chronische Entzündungen an der Haut, die mit starker Eiterbildung einhergehen. Vor allem sensible Körperstellen wie der Achsel- und Genitalbereich sind von der Erkrankung betroffen. Heute weiß man, dass die Ursachen in einem Defekt des angeborenen Immunsystems liegen und nicht etwa an mangelnder Hygiene: Die Haut der Erkrankten enthält deutlich weniger Abwehrstoffe als bei gesunden Menschen. Faktoren wie Rauchen und Übergewicht verschlechtern das Krankheitsbild zusätzlich. Die betroffenen Hautareale vieler Betroffener werden aufgrund von Fehldiagnosen immer wieder nur oberflächlich operiert und entlastet, oftmals mehrmals im Jahr. „Man muss sich die Erkrankung wie ein Maulwurfsystem unter der Haut vorstellen, in dem viele entzündliche Fistelgänge miteinander verbunden sind. Sofern dieses unterirdische Gangsystem nicht entfernt wird, ist die Krankheit damit nicht ausreichend behandelt. Das ist, als wenn Sie einen Maulwurfshügel schließen/entfernen, der Maulwurf dann aber an einer anderen Stelle wieder ausbricht“, verbildlicht Dr. Matthes die oft übersehende Problematik.

Beschwerden bis zur Resignation: Der Leidensweg von Simone S. (28)

Eine Odyssee aus vielen vollnarkotisierten Operationen und Schamgefühlen liegt hinter Simone S. (28), Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte aus Schleswig-Holstein. Ab ihrem 21. Lebensjahr traten die ersten entzündeten Stellen in den Achselhöhlen auf, die sie zunächst zwar als störend, aber nicht behandlungsbedürftig einschätzte. Irgendwann wurden die Schmerzen so schlimm, dass sie sich von ihrem Arbeitsplatz direkt in die Notaufnahme eines Krankenhauses begab. Dort bekam sie die Diagnose, dass es sich um einen Abszess handele, der sofort operiert werden müsse. Doch bei der einen Operation blieb es nicht: Von 2014 bis 2016 wurde sie rund 8 Mal operiert. „Kaum war die eine Stelle zugeheilt, ging es an der nächsten Stelle los. Mir blieb nichts als zu hoffen, dass diese OP nun die letzte war“, erzählt sie. Erschöpft von den zahlreichen erfolglosen Eingriffen versuchte sie die Beschwerden so hinzunehmen, ohne sich wieder in medizinische Behandlung zu begeben. Dies führte dazu, dass sich die unentdeckte Akne inversa stark verschlimmerte, bis Simone S. 4 Jahre nach der letzten Operation wieder ihre Hautärztin aufsuchte. Diese überwies sie beim Blick auf die großflächig entzündeten Achseln direkt an das Zentrum für Venen- und Dermatochirurgie des Krankenhauses Tabea, wo Dr. Matthes Akne Inversa im dritten Stadium diagnostizierte mit anschließender Operation im Juni 2021.

Radikale Operation: Goldstandard und einzige kausale Behandlung

Bis zu 500 Betroffene mit Akne inversa oder Steißbeinfistel werden jährlich im Zentrum für Venen (1) und Dermatochirurgie im Krankenhaus Tabea behandelt. Die Erkrankung wird nach Hurley in 3 Stadien eingeteilt. Ab Schweregrad 3 gilt die großflächige Operation mit Sicherheitsabstand (2) als einzig kausale Behandlung, um alle unterirdischen Entzündungsherde langfristig zu entfernen. Bei Simone S. liegt die Wundgröße bei rund 12 x 6 Zentimeter, eine Woche musste sie nach dem Eingriff in der Klinik bleiben mit anschließender Heilungsphase von 6 bis 8 Wochen. Die offene Wundheilung wird medikamentös mit einem Antibiotikum und Schmerzmitteln begleitet. Nach der Abheilung ist die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls sehr gering, jedoch nicht ausgeschlossen: „Es gibt immer die Möglichkeit für Rezidive, da wir die Genetik nicht wegoperieren können. Das hängt auch maßgeblich vom Verhalten der Betroffenen ab: Wer beispielsweise nicht aufhört zu rauchen, erhöht die Wahrscheinlichkeit neuer Entzündungsherde“, warnt Dr. Matthes. Die gute Nachricht für Simone S. ist, dass Rezidive eher im unteren Körperbereich auftreten, unter den Achseln jedoch nur sehr selten.
 
 

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Hoffnung für die Zukunft: Mehr flächendeckende Aufklärung über Akne inversa

Schwere Verläufe und entsprechend großflächige Operationen wie bei Simone S. könnten vermieden werden, wenn Betroffene sich früher in fachkundige Behandlung begeben würden. Mehr Aufklärung wünscht sich auch Dr. Matthes: „Das Krankheitsbild muss mehr ins Bewusstsein der Bevölkerung, aber auch der Ärzteschaft gelangen. Selbst ausgeprägte Stadien lassen sich gut behandeln.“ Simone S. blickt seit der Operation voller Hoffnung in die Zukunft: „Ich wünsche mir, dass in der Öffentlichkeit, z. B. über Social Media, mehr über Akne inversa aufgeklärt wird und somit auch Vorurteile abgebaut werden können. Es ist eine Krankheit, an der man nicht schuld ist – und gegen die etwas unternommen werden kann.“

Quelle: Krankenhaus Tabea Hamburg


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