Neue S3-Leitlinie: Brustschmerz in der hausärztlichen Praxis
Brustschmerzen gehören zu den häufigsten Beratungsanlässen in der hausärztlichen Praxis. Die Gründe sind äußerst vielfältig – der oft befürchtete Herzinfarkt ist eher selten die Ursache. Trotzdem ist es wichtig, sich schnell orientieren und gefährliche Verläufe ausschließen zu können. Diese Orientierung vermittelt die neue S3-Leitlinie „Brustschmerz“ (1), die die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) als Update Ende letzten Jahres veröffentlicht hat.
Brustschmerzen in der hausärztlichen Praxis: Häufig muskuloskelettale Ursachen
In der hausärztlichen Praxis gehören Brustschmerzen mit Ziehen, Brennen, Stechen im Thoraxbereich zu den häufigsten Beratungsanlässen. Mitunter kommen noch Angst oder Panik dazu, weil die Patient:innen einen Herzinfarkt befürchten. Die Ursachen für Brustschmerzen sind in knapp der Hälfte aller Fälle muskuloskelettal bedingt. Auch Atemwegsinfekte oder psychische Störungen können zu Schmerzen im Brustbereich führen, ebenso wie stabile Erkrankungen der Koronargefäße oder Magen-Darm-Probleme.
Neue Leitlinie: Unterstützung für Hausärzt:innen bei Diagnostik und Patientensteuerung
Die Leitlinie „Brustschmerz“ erleichtert es den Hausärzt:innen, sich in kurzer Zeit zu orientieren und schafft Sicherheit im Umgang bei der Herausforderung, gefährliche Verläufe – zum Beispiel bei einem akuten Koronarsyndrom – schnell zu erkennen und die Patient:innen in die Klinik zu überweisen. „In der hausärztlichen Praxis geht es oft um das Spannungsfeld von ‚nichts übersehen‘ und ‚Überversorgung vermeiden‘. Unsere Hauptaufgabe ist es, die vorhandene Evidenz in den Leitlinien so aufzubereiten, dass wir den Hausärzt:innen ein Werkzeug an die Hand geben können, dass sie sich in diesem Spannungsfeld sicher bewegen können“, kommentiert Prof. Martin Scherer, Präsident der DEGAM.
Marburger Herzscore bleibt zentrales Instrument
Bei der S3-Leitlinie handelt es sich um eine Überarbeitung der bisherigen Version. Die zentralen Botschaften wurden übernommen. Das Kernstück der Leitlinie stellt nach wie vor der Marburger Herzscore dar, der eingesetzt wird, um das Risiko für eine koronare Herzerkrankung unkompliziert in der Praxis zu berechnen. Der Marburger Herzscore wird auch in der Nationalen Versorgungsleitlinie KHK empfohlen, so dass hier beide Leitlinien inhaltlich ineinandergreifen.
Über-, Unter- und Fehlversorgung reduzieren
„Als wissenschaftliche Fachgesellschaft ist es uns ein großes Anliegen, Über-, Unter- und Fehlversorgung in der Medizin abzubauen. Dabei sind unsere Leitlinien wichtige Elemente, weil sie helfen, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden. Das gilt bei kardiologischen Fragestellungen in besonderem Maße, da gerade in der Kardiologie hierzulande eine massive Überdiagnostik stattfindet“, so Prof. Scherer weiter. In Deutschland werden zum Beispiel mehr als in jedem anderen Land Herzkatheter-Untersuchungen durchgeführt – ohne, dass die Herzgesundheit hierzulande messbar verbessert werden konnte.
Quelle:Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)
Literatur:
(1) S3-Leitlinie Brustschmerz – DEGAM-Leitlinie für die primärärztliche Versorgung. Stand: 30.06.2024. Abrufbar unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/053-023 (zuletzt aufgerufen am: 07.02.25)