Dienstag, 3. Dezember 2024
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Verschreibung von Generika: Drohen Ärzt:innen haftungsrechtliche Konsequenzen?

Verschreibung von Generika: Drohen Ärzt:innen haftungsrechtliche Konsequenzen?
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Seit 2002 sind Apotheken verpflichtet, preisgünstige wirkstoffgleiche Medikamente abzugeben. Ärzt:innen verordnen in der Regel also nicht mehr ein bestimmtes Präparat, sondern einen pharmakologischen Wirkstoff. Die Krankenkassen sparen dank dieser so genannten „Aut idem-Regelung“ viel Geld, doch für die Ärzteschaft birgt diese Praxis gewisse Risiken, da die Ärzt:innen in der Regel nicht wissen, welches Präparat die Patient:innen in der Apotheke erhalten.
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Diskrepanzen bei Generika gefunden

Ulmer Forschende haben in einer Studie deutliche Diskrepanzen zwischen den Fachinformationen von wirkstoffgleichen Medikamenten gefunden. Besonders die Abweichungen der Fachinformationen bei den zugelassenen medizinischen Anwendungsgebieten und Gegenanzeigen sind dabei von medizinischer Relevanz. Große Unterschiede bei der Anzahl der aufgeführten Indikationen beziehungsweise Kontraindikationen fanden sich beispielsweise bei bestimmten Antibiotika respektive Blutdrucksenkern.

Generika unterscheiden sich bezüglich Indikation und Kontraindikation

So haben Forschende des Universitätsklinikums Ulm herausgefunden, dass die Fachinformationen wirkstoffgleicher Arzneimittel erhebliche Unterschiede aufweisen, und zwar in Bezug auf die Anzahl der aufgeführten Indikationen und Kontraindikationen. Die Arbeitsgruppe „Pharmakovigilanz“ der Ulmer Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie III hat dafür die Fachinformationen von Medikamenten mit den in Deutschland am häufigsten verschriebenen Substanzen analysiert. Untersucht wurde, ob es zwischen den Fachinformationen wirkstoffgleicher Arzneimittel Unterschiede bei der Anzahl der aufgeführten Indikationen und Kontraindikationen gibt. Diese Informationen sind ausschlaggebend für die behandelnden Ärzt:innen, um sich bei bestimmten Patient:innen für oder gegen ein bestimmtes Medikament zu entscheiden.

Drohen bei der Verschreibung von Generika haftungsrechtliche Konsequenzen?

Doch was ist, wenn die Fachinformationen wirkstoffgleicher Präparate beachtliche Unterschiede aufweisen, insbesondere in Hinblick auf für die Verordnung essenziellen Merkmale wie Indikation und Kontraindikation? Die behandelnden Ärzt:innen können ja nicht wissen, welches wirkstoffgleiche Präparat den Patient:innen in der Apotheke tatsächlich ausgehändigt wird. „Welche haftungsrechtlichen und möglicherweise klinischen Folgen ergeben sich aus diesen Abweichungen für die behandelnden Mediziner:innen, insbesondere im Fall von unerwünschten Arzneimittelwirkungen? Bestehen dadurch Risiken für Patient:innen?“, bringt Prof. Maximilian Gahr die Problematik auf den Punkt. Der Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III des Universitätsklinikum Ulm hat die Studie koordiniert.

Bis zu 65% der Generika unterscheiden sich hinsichtlich Indikation und Kontraindikation

Für die aufwändige Untersuchung, die im European Journal of Clinical Pharmacology veröffentlicht wurde, haben die Ulmer Wissenschaftler:innen die Fachinformationen der Präparate mit den 100 in Deutschland am häufigsten verordneten Substanzen analysiert. Insgesamt wurden 1.426 Fachinformationen beziehungsweise Präparate berücksichtigt. Das Ergebnis: Bei 41 beziehungsweise 65% der untersuchten Wirkstoffe fanden die Forschenden Unterschiede zwischen den zugehörigen Fachinformationen hinsichtlich der Anzahl der aufgeführten Indikationen beziehungsweise Kontraindikationen. Um zu vermeiden, dass Unterschiede in der sprachlichen Ausformulierung und systematischen Aufgliederung die Ergebnisse der Untersuchung verfälschen, wurden alle Fachinformationen „von Hand“ ausgewertet.

Deutliche Unterschiede bei Generika von Amoxicillin, Ibuprofen, Allopurinol, Lisinopril, Hydrochlorothiazid und Torasemid

Am Größten waren die Unterschiede bezüglich der Anzahl der aufgeführten Indikationen bei Fachinformationen von Präparaten mit Amoxicillin, einem Antibiotikum aus der Gruppe der Aminopenicilline. Hier fanden sich zum Beispiel ein Amoxicillin-haltiges Präparat mit 16 und eines mit 9 in der Fachinformation aufgeführten Indikationen, entsprechend einer Spannbreite von 7. Darauf folgten Ibuprofen (Spannbreite 5) und Allopurinol (Spannbreite 4). Bei den Gegenanzeigen, also den Kontraindikationen, war der Blutdrucksenker Lisinopril, ein Medikament aus der Gruppe der ACE-Hemmer, mit 11 Abweichungen führend, gefolgt von Hydrochlorothiazid (Spannbreite 9) und Torasemid (Spannbreite 8). „Bei einem Lisinopril-enthaltenden Präparat wurden beispielsweise als Gegenanzeige schwere Niereninsuffizienz, Dialyse, eine Verengung der Nierenarterie und spezielle Erkrankungen der Herzklappen genannt, die bei der Fachinformation eines anderen Lisinopril-enthaltenden Präparates fehlten“, erläutert Almuth Wolf, die die Auswertung der Fachinformationen durchgeführt hat.
 
 

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Einheitliche Regelungen und detaillierte Vorgaben für die Hersteller von Generika gefordert

Worauf sind die Unterschiede in den Fachinformationen von Generika nun zurückzuführen? Gründen diese in unterschiedlichen Vorgehensweisen der Hersteller:innen bei der Erstellung und Aktualisierung der Fachinformationen oder gibt es tatsächlich Unterschiede zwischen den jeweiligen Medikamenten, zum Beispiel pharmakologischer oder pharmazeutischer Art? Um diese weiterführenden Fragen zu beantworten, wollen die Ulmer Forschenden in Zukunft noch weiter ins Detail gehen – entsprechende Studien sind in Vorbereitung. Was sich auf jeden Fall jetzt schon sagen lässt: „Bei den Fachinformationen wirkstoffgleicher Arzneimittel besteht Harmonisierungsbedarf. Wünschenswert wären hier beispielsweise detailliertere Regelungen und Vorgaben für die Hersteller hinsichtlich der Aktualisierung und Abgleichung der Fachinformationen, die auch kontrolliert werden sollten. So ließe sich möglicherweise bereits ein beträchtlicher Anteil der Diskrepanzen in den pharmazeutischen Produktbeschreibungen beheben“, hofft Gahr.

Quelle: Universität Ulm


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