Journal MED
Reise- und Tropenmedizin
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Vom Sex im Urlaub abzuraten ist sinnlos

Reisende sollte man nicht aufhalten, riet Prof. Dr. Robert Steffen, Zürich (Schweiz), und meinte damit insbesondere ihren sexuellen Drang: „Urlaubern vom Sex abzuraten ist nicht nur sinnlos, sondern auch nicht zielführend im Bemühen, sie vor sexuell übertragbaren Infektionskrankheiten zu schützen“, betonte der Reisemediziner. Stattdessen empfahl er, das Klientel in der Reise-Impfberatung auf ihre Risikobereitschaft hin zu testen. Dabei hielt er insbesondere die Frage nach dem Inhalt der Reiseapotheke für geeignet, das gesundheitliche Risikobewusstsein einschätzen zu können. Denn daran, ob in der Aufzählung auch Kondome enthalten sind, lasse sich recht gut ablesen, inwieweit das Gefahrenpotential durch flüchtigen Sex realistisch eingeschätzt wird.

Einschätzung des Risikobewusstseins ist zielführend

Dass man sich bei der Einordnung des jeweiligen Risikobewusstseins hinsichtlich Sex auf Reisen durchaus auf sein Gefühl verlassen könne, machte Steffen anhand einer älteren Untersuchung deutlich. Demnach bestätigte sich die sexuelle Aktivität von denjenigen Personen, denen in der reisemedizinischen Beratung neue Sex-Kontakte im Ausland zugetraut wurden, in 60% der Fälle. In einer Kontrollgruppe aus zufällig ausgesuchten Charterflug-Passagieren kam es hingegen nur bei 4% zu flüchtigem Sex am Urlaubsort.

Sexuelle Risikofreudigkeit beruht häufig auf Fehleinschätzungen

Eine neuere Untersuchung brachte tendenziell ähnliches zutage. So wurde in risikofreudigen europäischen Sub-Populationen einer Meta-Analyse festgestellt, dass ihre Prävalenz für Gelegenheits-Sex auf Reisen bei 35% lag, wobei in jedem 2. Fall sogar auf das Kondom verzichtet wurde. In diesem Zusammenhang wies Steffen auf einen Irrtum westlicher Männer hin, der vor allem bei Thailand-Reisenden weit verbreitet ist. Sie hielten HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen einzig für ein Problem homosexueller Männer und stuften deshalb ungeschützten heterosexuellen Sex generell als ungefährlich ein, so dass selbst bei HIV-positiven in 40% der Fälle ein inkonstanter Kondomgebrauch festzustellen war.

Auch Hepatitis A kann sexuell übertragen werden

Bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), sollte allerdings durchaus auch das erhöhte Risiko einer HAV-Übertragung in Betracht gezogen werden, warnte Steffen und erinnerte an einen HAV-Ausbruch in Portugal 2024. Hier stand die sexuelle Transmission bei MSM gegenüber der sonst häufigeren fäkal-oralen Übertragung per kontaminierten Lebensmitteln sogar eindeutig im Vordergrund.

HBV-Impfempfehlung: Aufenthaltsdauer in Risikogebieten zählt kumulativ

Um den HAV- und HBV-Risiken wirksam zu begegnen, riet der Epidemiologe zu den entsprechenden Impfungen gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut (RKI). Demnach wird eine HBV-Impfung vor Reisen in hoch- und mittelendemische Gebiete insbesondere schon dann empfohlen, wenn die Reisedauer 4 Wochen übersteigt. Hierbei sollte laut Steffen unbedingt berücksichtigt werden, dass dies bei mehreren absehbaren Reisen kumulativ schnell der Fall sein dürfte und eben nicht jede Reise für sich allein zählt. Des Weiteren führt die Empfehlung explizit den Unterpunkt auf: „geplante (ungeschützte) sexuelle Kontakte mit Fremden, z.B. Sextourismus“, aber auch: „absehbarer Kontakt zum Gesundheitswesen des Ziellandes für invasive Maßnahmen (z.B. Injektionen, zahnmedizinische Eingriffe, Endoskopien, Operationen) oder für den Erhalt von Blutprodukten“ sowie: „Tätigkeit im Reiseland mit hohem Verletzungsrisiko“.

HAV-Impfung vor allem für Personen über 40 Jahren

Bei der HAV-Impfempfehlung zählt nach den Ausführungen des Experten indes in erster Linie das Alter. Denn während in der reisebedingten HAV-Epidemiologie eine jährliche Abnahme der Inzidenz um etwa 4% zu verzeichnen sei, nähmen andere Expositionsrisiken an Bedeutung zu, so dass sich die grundsätzliche Gefährdungssituation in den letzten Jahren insgesamt kaum verändert habe. Eindeutig sei allerdings die wachsende Gefährdung durch schwerere Krankheitsverläufe mit zunehmendem Alter, wie sich in mehreren Untersuchungen konsistent herausgestellt hat. So steigt der Anteil der hospitalisierten HAV-Erkrankten auf zwei Drittel, wenn die Betroffenen über 40 Jahre alt sind. In einer eigenen Untersuchung zur Arbeitsunfähigkeit von Besatzungsmitgliedern einer Fluggesellschaft stellte Steffen schon vor Jahren fest, dass sich HAV-bedingte Ausfälle beim Kabinenpersonal im mittleren Alter von 30 Jahren auf durchschnittlich 5 bis 6 Wochen summierten. Bei Piloten im mittleren Alter von 41 Jahren hingegen sieg die Arbeitsunfähigkeit auf durchschnittlich 10 Wochen an. Angesichts des unkalkulierbaren Risikos einer HAV-Infektion nicht nur auf Reisen, sondern auch im Heimatland und aufgrund der sicheren, effektiven und jahrelangen Schutz bietenden Impfung plädierte er für eine HAV-Impfung grundsätzlich für jeden und insbesondere für alle Personen über 40 Jahren.

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Quelle:

Meet the Expert Session von GSK „Sexualverhalten von Reisenden und andere Hepatitis A und B Risiken“ im Rahmen des 26. CRM-Forums Reisen und Gesundheit am 8. März 2025 in Berlin