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Gesundheitspolitik

Ökonomische und soziale Folgen der Sorgearbeit

„Die Pflege von Angehörigen ist nach wie vor überwiegend Frauensache. Klassische Rollenbilder dominieren weiterhin und führen dazu, dass die ungleiche Verteilung der Sorgearbeit oft durch ökonomische und traditionelle Faktoren bestimmt wird“, erklärt Susann Schrödel, Vorsitzende des Kindernetzwerk e.V. Besonders betroffen sind Mütter, die ihre chronisch kranken oder behinderten Kinder betreuen. Sie sind häufig gezwungen, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, sich in ihrer beruflichen Qualifikation zu entwerten oder ihre Karriere ganz zu unterbrechen, wie die sogenannte FamBer-Studie aus dem Jahr 2021 zeigt, an der auch das Kindernetzwerk e.V. mitgewirkt hat.

„Diese Ungleichheiten stehen in direktem Zusammenhang mit dem Gender Pay Gap. Oft ist es für Paare ökonomisch sinnvoller, die schlechter bezahlte Arbeit von Frauen zugunsten der Pflege von Angehörigen zu reduzieren oder aufzugeben. Um die Lücken bei der gerechten Bezahlung und der Verteilung der Pflegeverantwortung zwischen den Geschlechtern zu schließen, müssen wir als Gesellschaft gemeinsam handeln“, so Schrödel.Damit die Pflege von behinderten und chronisch kranken Kindern nicht länger überwiegend Frauensache bleibe, seien gesetzliche Regelungen notwendig, die eine gerechtere Verteilung der Pflegeverantwortung ermöglichen. „Dazu gehören ein Recht auf flexible Arbeitsmodelle für beide Elternteile, eine angemessene finanzielle Absicherung pflegender Angehöriger und eine stärkere Berücksichtigung von Pflegezeiten in der Rente“, fordert Schrödel.

Arbeitgeber müssen ihren Beitrag leisten

Auch die Arbeitgeber spielen eine entscheidende Rolle dabei, die gerechte Verteilung von Pflegeverantwortung und fairer Bezahlung zu fördern. Um die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu unterstützen, müssen Unternehmen Verantwortung übernehmen und ihren Mitarbeitenden, insbesondere pflegenden Eltern, flexiblere Arbeitsmodelle bieten. Dazu gehört die Möglichkeit, Arbeitszeiten anzupassen, Homeoffice zu nutzen und Teilzeitoptionen anzubieten. Zudem sollten Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden mit betrieblichen Pflegeberatungen unterstützen und Führungskräfte für die spezifischen Herausforderungen von pflegenden Angehörigen sensibilisieren. Auf diese Weise können Arbeitgeber dazu beitragen, dass Pflegearbeit nicht zu einem finanziellen oder beruflichen Nachteil für die Betroffenen wird. Indem Arbeitgeber die Pflegezeit bei der Altersvorsorge berücksichtigen und Lohnersatzleistungen einführen, stärken sie die soziale Absicherung ihrer Mitarbeitenden. Das Kindernetzwerk e.V. fordert alle Unternehmen auf, diese Maßnahmen umzusetzen, um eine gerechtere Arbeitswelt zu schaffen, in der die Verantwortung für Pflege nicht länger ungerecht verteilt ist.

Konkrete gesetzliche Verbesserungen notwendig

Darüber hinaus fordert das Kindernetzwerk e.V. konkrete gesetzliche Änderungen, um die Pflege von chronisch kranken oder behinderten Kindern nicht zu einer dauerhaften finanziellen Belastung für pflegende Angehörige werden zu lassen. Es wird dringend ein politischer Kurswechsel benötigt, um die Chancenungleichheit zu verringern und die soziale und finanzielle Absicherung von pflegenden Angehörigen zu verbessern.

Im Einzelnen fordert das Kindernetzwerk e.V. in seinem „Berliner Appell“:

  • Eine ausreichende finanzielle Kompensation für Angehörige, die freiwillig eine umfassende Behandlungspflege im Sinne des SGB V übernehmen, die ansonsten nur von Pflegekräften erbracht werden dürfte. Pflegende Angehörige sollten die Wahl haben, sich formell als Pflegekraft anstellen zu lassen – mit Recht auf Auszeiten und bezahlten Urlaub im Sinne eines Care-Gehalts. Aktuell wird die Pflegetätigkeit von Angehörigen nur im Rahmen des Pflegegeldes (SGB XI) bezüglich der Grundpflege berücksichtigt – dies reicht nicht aus. Pflegende Angehörige dürfen nicht aufgrund der Pflegearbeit in Armut fallen.

  • Eine finanziell auskömmlichere Berücksichtigung der Pflegezeiten in der Rente, damit Angehörige auch in der Altersvorsorge nicht benachteiligt werden. Es müssen gesetzliche Regelungen geschaffen werden, die sicherstellen, dass pflegende Angehörige ausreichend Rentenbeiträge erhalten, um Altersarmut zu vermeiden und stark belastete Familien zu unterstützen.

  • Die Abschaffung der Kürzung des Pflegegeldes nach 28 Tagen bei stationärer Unterbringung des pflegebedürftigen Kindes, insbesondere bei längeren Krankenhausaufenthalten und Rehamaßnahmen. Hier entstehen durch die Begleitung in die Klinik zusätzliche Ausgaben, die nicht durch das Pflegegeld gedeckt werden. Diese finanziellen Lücken müssen dringend geschlossen werden.

Zum Weltfrauentag macht das Kindernetzwerk e.V. deutlich: Die Pflege und Versorgung eines chronisch kranken oder behinderten Kindes darf nicht zu dauerhafter Armut führen. Es braucht dringend politische Maßnahmen, um pflegende Angehörige – insbesondere Frauen – finanziell und sozial besser abzusichern und die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu ermöglichen.

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Quelle:

Kindernetzwerk e.V.