„Sowohl invasive als auch nichtinvasive Therapien haben sich in den vergangenen Jahren so dynamisch und unterschiedlich entwickelt, dass wir uns nun für eine wissenschaftliche, differenziertere Aufteilung in jeweils eigene Leitlinien entschieden haben”, erklärt Leitlinienkoordinatorin PD Dr. Sarah Stanzel, Fachärztin in der Lungenklinik an den Kliniken der Stadt Köln.
Anpassung der Grenzwerte und Vermeidung von Widersprüchen
Ein großer Unterschied zur früheren Leitlinienversion: „Die Grenzwerte für eine Indikation zur nichtinvasiven Beatmung bei verschiedenen Krankheitsbildern wurden an die bestehende Evidenz angepasst”, erklärt Stanzel. Ihr besonderes Augenmerk galt zudem der Vermeidung widersprüchlicher Aussagen: „Es gibt kaum etwas Schlimmeres in Leitlinien, als Widersprüche”, betont die Expertin. Konsequent werde deshalb an entsprechenden Textstellen auf themenverwandte Leitlinien verwiesen, etwa zum prolongierten Weaning, der Sauerstofflangzeittherapie oder hin zu schlafbezogenen Atemstörungen – ohne selbst auf diese Themenblöcke im Detail einzugehen. Neu in der Leitlinie ist auch die Diskussion rund um ambulante oder stationäre Versorgungsstrukturen.
Neuerungen zum Thema adipöse Patient:innen, prolongiertes Weaning und ethische Fragen
Auch tragen die Autor:innen der Entwicklung hin zu immer mehr adipösen Patient:innen Rechnung, indem das Kapitel zum Obesitas-Hypoventilationssyndrom stark überarbeitet wurde. Ein komplett neues Kapitel zum prolongierten Weaning ist hinzugekommen, wie auch eines rund um ethische Fragen, um Antworten geben zu können, wie eine Therapie mit gutem Gewissen auch beendet werden kann. „Für unsere chronisch schwerkranken Patienten ist das eine ganz wichtige und auch sehr schwierige Frage: Wann endet eine Therapie-Bemühung?”, sagt Dr. Stephan Walterspacher. „Auf ein gut begleitetes Sterben müssen wir in Zukunft noch viel Augenmerk legen“, mahnt der erfahrene Pneumologe.
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Leitlinie für die nichtinvasive Beatmung bei chronischer respiratorischer Insuffizienz richtet sich an alle Ärzt:innen
Derzeit wird zudem eine Kitteltaschen-Version der Leitlinie fertiggestellt. Auch digitale Flowcharts mit klaren Anweisungen für die Behandler sind in der Entwicklung, um ein schnelles Durchklicken zur gewünschten Information zu ermöglichen. „In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der beatmeten Patient:innen verdoppelt – auf zuletzt rund 17.000 neu eingeleitete Beatmungen im Jahr“, sagt Sarah Stanzel. „Wir wünschen uns deshalb möglichst nicht nur die Spezialisten für chronische respiratorische Insuffizienz zu erreichen, sondern möchten alle medizinischen Kollegen befähigen, betroffene Patientinnen und Patienten bestmöglich zu versorgen ”, ergänzt Walterspacher.
Leitlinie bald auch auf Englisch verfügbar
Entsprechend wird die neue S3-Leitline auch in Kürze komplett als englische Version publizieren werden, um international wahrnehmbar und zitierfähig zu sein. Denn die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) ist überzeugt, derzeit im Vergleich ein einzigartiges wissenschaftliches Evidenz-Niveau für die nichtinvasive Beatmung bei chronischer respiratorischer Insuffizienz erreicht zu haben. „Diese Leitlinie ist für uns Pneumologen und Beatmungsmediziner extrem wichtig und wird Vieles in Bewegung setzen“, kommentiert DGP-Präsident Prof. Wolfram Windisch. „Eine Pflichtlektüre!“
Hier geht es zur
S3-Leitlinie „Nichtinvasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz"