Warnschuss für alle Länder: Bedarf an diabetologischer Expertise und Versorgung wird ansteigen
Die Ergebnisse der aktuellen Studie des Fachmagazins „The Lancet
Diabetes&Endocrinology“ (1) seien ein Warnschuss für alle Länder: „Eine Verdoppelung der weltweiten Erkrankungsfälle stellt weltweite Gesundheitssysteme vor enorme Herausforderungen“, so DDG Präsident Professor Dr. med. Andreas Neu. „Nicht nur beim
Diabetes Typ 2, der häufig Folge eines
ungünstigen Lebensstils ist, müssen wir mit enorm steigenden Zahlen rechnen. Die Autor:innen zeigen in aller Deutlichkeit, dass auch bei der Autoimmunerkrankung
Diabetes Typ 1 der Bedarf an
diabetologischer Expertise und Versorgung weltweit ansteigen wird.“ Die Besonderheit der Studie sieht der
Kinderdiabetologe aus Tübingen darin, dass Gabriel A Gregory et al. die Dringlichkeit politischen Handelns deutlich machen und mit ihrem Appell unmittelbar die politisch Verantwortlichen adressieren.
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Markov-Modell ermittelt für 201 Länder Fallzahlen, Neuerkrankungen und die Sterblichkeitsrate von Diabetes Typ 1
Mittels einer Modellrechnung (Markov-Modell) ermittelten die Wissenschaftler:innen für 201 Länder Fallzahlen, Neuerkrankungen und die
Sterblichkeitsrate von
Diabetes Typ 1. Dabei eruierten sie erstmals für diese Länder aktuelle Zahlen. Sie geben auch Nationen, die bislang über keine Diabetes-Daten verfügen, Informationen an die Hand, um sich ein Bild der eigenen Lage verschaffen und entsprechende
gesundheitspolitische Entscheidungen ableiten zu können. „Die Studienergebnisse sind auch für Deutschland relevant. Sie zeigen, dass hierzulande inzwischen über 422.000 Menschen leben, die einen
Diabetes Typ 1 haben, und verrät Interessantes über die Altersstruktur: Wie auch in anderen Ländern ist inzwischen eine deutliche Mehrheit der Betroffenen älter als 20 Jahre“, erklärt Neu. „Es scheint, dass immer mehr Menschen im Erwachsenenalter diese Diagnose erhalten.“
Wenig Aufklärung und schlechte Versorgungsstrukturen können bei einer Diabetesdiagnose den frühen Tod bedeuten
Besonders dramatisch fällt die Bilanz für einkommensschwache Länder aus, die in der Regel über wenig
Aufklärung und
schlechte Versorgungsstrukturen verfügen. „Erschreckend ist, dass seine Heimat darüber entscheidet, ob ein 10-jähriges Kind mit Typ-1-Diabetes 7 oder 70 Jahre mit seiner Erkrankung leben kann (3). Dies veranschaulicht einmal mehr, wie wesentlich der jeweilige Wohlstand eines Landes und die Infrastruktur des Gesundheitssystems mit zuverlässiger
Diagnostik, Zugang zu
Insulin und
qualifiziertem Personal sind“, betont Neu. Ist dies unzureichend gewährleistet, bedeutet eine
Diabetesdiagnose den frühen Tod. So zeigt die Studie, dass 2021 weltweit schätzungsweise 35.000 Menschen unter 25 Jahren innerhalb eines Jahres nach Diagnose starben, weil ihr Diabetes nicht oder zu spät diagnostiziert wurde.
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Personelle und finanzielle Ressourcen in der Diabetologie sind auch in Deutschland unzureichend
Diese Erkenntnisse untermauern die jahrelangen Forderungen der DDG, auf Seiten der Politik geeignete gesundheitspolitische Maßnahmen zur Eindämmung der
Volkskrankheit Diabetes mellitus und für eine ausreichende Versorgung zu ergreifen (2). „Doch besonders in der
Diabetologie sind personelle und finanzielle Ressourcen über Jahrzehnte dem Rotstift zum Opfer gefallen“, kritisiert DDG Mediensprecher Prof. Dr. med. Baptist Gallwitz. So seien die Fächer Endokrinologie und Diabetologie an den derzeit 37 staatlichen medizinischen Fakultäten in Deutschland nur noch mit 8 bettenführenden Lehrstühlen repräsentiert. Immer weniger angehende Mediziner:innen würden dadurch Kenntnisse in der Diabetologie erhalten. „Wenn die Entwicklung so weitergeht, müssen auch hierzulande Menschen mit einem Typ-1-Diabetes deutliche
Versorgungsprobleme und eine reduzierte Lebenserwartung befürchten. Das wäre ein Armutszeugnis für ein wohlhabendes Land wie Deutschland“, mahnt Gallwitz.